Montag, 11. Februar 2008

Besuch

Es klingelt. Neuerdings vorsichtig, mache ich nicht gleich auf, sondern drücke auf den "Ja, bitte?"-Button der Sprechanlage.
"Ja, bitte?" frage ich.
"WERBUNG!" tönt das Plastikkästchen.
"Wer?"
"WERBUNG!"
Die Werbung! Ich bin sprachlos. Erschüttert. Gerührt ob so viel unerwarteter Aufrichtigkeit. Die Werbung will in mein Haus und SAGT das auch noch! Soll ich sie reinlassen?
Eigentlich mag ich es nicht, wenn mich die Werbung besucht. Ich habe das sogar auf meinen Briefkasten geschrieben. BITTE KEINE WERBUNG steht da in Druckschrift. Genauso gut hätte ich BITTE KEINE RIESENGARNELEN schreiben können. Die Werbung, kein Kind von Traurigkeit, scheint sich von derlei Scheinschranken geradezu herausgefordert zu fühlen. Ich sollte die Botschaft umformulieren in "Bitte viel Werbung". Vielleicht ist dann Ruhe im Briefkasten.
Aber was JETZT? Ich schwanke. Soll ich sie reinlassen, obwohl ich sie unten explizit und gut leserlich ausgeladen habe? Jetzt wäre DIE Chance! Die einmalige Chance, der Werbung PERSÖNLICH und EIN FÜR ALLEMAL klar zu machen, dass sie sich bei mir nicht mehr blicken lassen soll. Nie mehr! Andererseits: Was, wenn die anderen Hausbewohner ihren Besuch schätzen? Wenn das Durchblättern der Lidl-Broschüre zu den Highlights ihres Tages gehört und sie sich von der Außenwelt abgeschnitten fühlen, wenn sie nicht wissen, über was sie Aldi informiert? Ich schwanke weiter. Hin (aufmachen) und her (sich tot stellen), her (aufmachen und schimpfen) und hin (ganz laut Musik aufdrehen).
Schließlich öffne ich.
"DANKE!" tönt es durchs Treppenhaus.
Ich hab's getan! Ich hab die Werbung reingelassen! Aber immerhin habe ich sie gebeten, meinen Briefkasten zu meiden. Einen Tag lang hat es sogar funktioniert.