Ich erinnere mich an eine Zeit, da saßen die Leute abends, wenn sie von der so genannten Arbeit kamen, vor einem Kasten namens „Fernseher“. „Zum Abschalten“, wie sie zu sagen pflegten.
Aus dem so genannten Fernseher drangen für gewöhnlich Belanglosigkeiten in verschiedenen Verkleidungen, aber immer hatten sie dieselbe Funktion: das Blut der Leute in geordnete Wallung zu bringen, ihnen das Gefühl zu geben, keine Maschine zu sein, Gefühle zu haben, ohne diese wirklich gebrauchen zu müssen. Ein wenig Mitleid hier, ein bisschen Empörung da, und schon fühlten sich die von der so genannten Arbeit Ausgelaugten ein wenig besser. Die Maschine wurde angeschaltet, um abzuschalten. Wovon, war eigentlich egal. „Abschalten“ war zu jener Zeit eine Art Zauberwort, ein süßes Versprechen der Bewusstlosigkeit, ein Vergessenmachen von allem, was einen den (Arbeits-)Tag über beschäftigt hatte. Es war eine Zeit, da die Leute, die „Arbeit“ hatten, diese bei der erstbesten Gelegenheit vergessen wollten. Dazu brauchten sie etwas, das ihnen dabei half. Der Fernseher war nicht das einzige, aber ein sehr effektives und zudem vollkommen legales Hilfsmittel, vom Betäubungsmittelgesetz nicht mal ansatzweise erfasst.
Aus zum Abschalten gedachten Fernsehern drangen hin und wieder auch echte Informationen, aber die kamen meist zu so später Stunde, dass die, die am nächsten Morgen „zur Arbeit“ mussten, schon längst eingeschlafen waren. Das war von denen, die die so genannten „Sendezeiten“ festlegten, durchaus so gewollt. Die echten Informationen, das, was sich wirklich zu wissen lohnte, weil es das Potenzial hatte, die Wirklichkeit zu gestalten, wurde zu Zeiten gesendet, die diejenigen, die „Arbeit“ hatten, nicht erreichen konnten.
Dann kam das Internet und mit ihm die Erfindng der „Mediathek“. Und man konnte die Nacht zum Tag machen und die Woche zum Wochenende. Wie es jedem gerade passte. Das, was zuvor den Arbeitslosen oder Freiberuflern vorbehalten war, war nun für alle da. Allerdings ist nicht überliefert, ob diejenigen, die in den so genannten „verantwortungsvollen Posten“ saßen, die so genannten „Entscheider“, mit anderen Worten: die, die genug Geld und Einfluss und womöglich auch Geist hatten, um Dinge in Richtungen zu schieben, die sie für richtig hielten, ob die auch tatsächlich Interesse daran hatten.