Freitag, 28. November 2008
Inventur
Heute ist es so: Der Himmel ist weiß. Die Luft ist kalt. Der Hund schnüffelt am Stromkasten. Die Männer rauchen vor dem Zeitungsladen. Aus dem Radio kommen the Killers. Die Balkonpflanzen haben den Kampf aufgegeben. Die Lampe spinnt. Der Strom wird irrwitzig umgeleitet. Die Frau mit dem gescheckten Hund kommt nach Hause. Vierundzwanzig Leichen werden im Hotel geborgen. Die Nacht wird wolkig. Der Reis klebt am Boden. Verschrumpelte Chilis warten auf Verarbeitung. Die Richtungsfahrbahn ist blockiert. Man muss mit Stau rechnen. Der Kampf geht weiter. Der Mann stellt den Kragen hoch. Die Zweige zittern. Man sieht zurück und sieht, dass man NICHTS verstanden hat.
Montag, 24. November 2008
Neopren
Schwimm dich frei, vor allem von dir selbst, schreibt R, und ich weiß, dass das stimmt, aber nicht, wie das geht. Wenn die eigene Haut sich über viele Jahre unbemerkt in einen Neoprenanzug verwandelt hat, der plötzlich zu eng geworden ist, was dann? Ausziehen, klar! Aber wenn der Reißverschluss klemmt? Das Material stellenweise schon mit der Haut verwachsen ist? Weil man den Anzug zu lange anhatte? Weil man ihn schlichtweg nicht als Anzug wahrgenommen hat, sondern als eigene Haut? Und wenn man es schließlich doch geschafft hat, wenn man all das überwunden hat: den störrischen Reißverschluss, die verwachsenen Stellen, die Zähigkeit, mit der das Neopren an der Haut klebt... was dann? Rein in den Karstadt? Ins Sportbekleidungshaus meines Vertrauens? In die Zwangsjacke? Oder ist die Lösung vielleicht... was SELBSTgeschneidertes...?
Sonntag, 23. November 2008
Watermark
Why, tell me, why did the snow have to fall / Where did all the no colored flakes come from / Who, tell me, who made them finally fall down / We'll never know cause we're part of it / Above all, I don't know nothing about clouds in the winter / But I know, some day it will turn into water / I heard it from the watermark: / The sun keeps on shining through / I hope, we will learn to swim
Donnerstag, 20. November 2008
Das Glück auf der Bühne
Die bisher beste Antwort auf die Frage "Wozu bin ich auf der Welt?" habe ich gestern bekommen: "Um andere glücklich zu machen." Mit ergänzendem Hinweis, dass dies miteinschließe, sich selbst glücklich zu machen. Die Ursachenkette "selbst glücklich sein" => "andere glücklich machen" funktioniert nämlich in beide Richtungen. Das ist der Trick! Toll! Aber wie mache ich andere und also mich selbst bzw. mich selbst und also andere - glücklich? Das ist die große, die Frage aller Fragen.
Eine Antwort, die mich überzeugt, weiß die Schauspielerin Nadja Uhl. Auf die Interview-Frage, welchen Sinn das Leben habe, sagt sie: "... staunen und entdecken, das Herz offenhalten, dem Glück trauen und es auf die Bühne heben." DEM GLÜCK TRAUEN UND ES AUF DIE BÜHNE HEBEN!! Heureka: das Glück erkennen, ihm trauen und es emporheben, auf die Bühne. Dass alle es sehen können. Dass man es selbst besser sehen kann. Dass es glänzen kann. Strahlen und leuchten. Bis in den letzten Winkel der dunkelsten Nacht... Ich würde sogar sagen: Alles andere ist falsch, verfehlt, setzen, sechs!
Eine Antwort, die mich überzeugt, weiß die Schauspielerin Nadja Uhl. Auf die Interview-Frage, welchen Sinn das Leben habe, sagt sie: "... staunen und entdecken, das Herz offenhalten, dem Glück trauen und es auf die Bühne heben." DEM GLÜCK TRAUEN UND ES AUF DIE BÜHNE HEBEN!! Heureka: das Glück erkennen, ihm trauen und es emporheben, auf die Bühne. Dass alle es sehen können. Dass man es selbst besser sehen kann. Dass es glänzen kann. Strahlen und leuchten. Bis in den letzten Winkel der dunkelsten Nacht... Ich würde sogar sagen: Alles andere ist falsch, verfehlt, setzen, sechs!
Dienstag, 18. November 2008
Keine Verbindung
Von hier oben ist alles halb so wild. Halb so laut. Halb so stinkend. Halb so falsch. Hier oben sieht man den Leuten auf den Scheitel statt ins Gesicht (bzw. auf den Hut, die Glatze oder den Lockenschopf). Jedenfalls sieht man die Leute so wie man sie gerne sieht: aus der Ferne, in Bewegung.
Man sieht auf die ausgefahrenen Jalousien der Geschäfte, auf Baumkronen und auf Litfasssäulen. (Ein seltener und also wertvoller Anblick: die Dinge, die sich im Lauf der Zeit im Deckel der Litfasssäule angesammelt haben: eine leere Zigarettenschachtel, ein paar Zigarettenstummel, ein Stück bunt bedrucktes Glanzpapier, in dem vor Tagen, Wochen oder Jahren, wer weiß das schon, ein Schokoriegel stak oder ein Eis am Stiel. Wie sind diese Dinge hier her gekommen? Hat sie jemand aus einem der oberen Stockwerke aus dem Fenster geworfen? Hat sie der Wind hier her geweht? Oder hat sich’s ein Vogel mitten im Nestbau anders überlegt und befunden, dass man doch besser nur mit Naturmaterialien baut?)
Wenige hundert Meter weiter, genau so weit über dem Boden wie ich, schwebt ein Teil von mir, hängt in der Luft, genau wie ich, und weiß nicht, warum. Ich habe ihn dort zurück gelassen, dort drüben, vierter Stock im Vorderhaus, und es scheint, als gebe es keine Verbindung mehr. Ich möchte eine Schnur spannen, ein Seil oder einen Draht. Von hier, vom Fenster aus über die Straße, mitten durch die Häuserreihe gegenüber, über drei, vier Hinterhöfe und ein paar weitere Straßen. (Dass die Leute in ihren Zimmern komisch gucken würden, wenn auf einmal ein Draht quer durch ihre Wohnung gespannt wäre, überm Esstisch und mitten durchs Kinderzimmer, wäre mir egal!) Er müsste nicht einmal besonders lang sein, der Draht, wie gesagt: wenige hundert Meter. Aber leitfähig müsste er sein. Leitfähig und trotzdem nicht unter Hochspannung. Anfassen müsste man ihn schon können, ohne sich in Lebensgefahr zu begeben. Aber so einen Draht finde ich nicht. Ich weiß auch nicht, wo ich noch suchen soll. Und die Schnurlosvariante hat hier sowieso keinen Sinn, denn es gibt kein Netz.
Also lasse ich das mit der Schnur und beobachte die Köpfe, die auf zu kleinen Körpern unter dem Südstern verschwinden, einer nach dem anderen. Die Zigarettenschachtel liegt noch genauso auf dem Boden ihres Litfasssäulendachgartens wie vorhin, nur das Eispapier ist an den Rand geweht worden. Immerhin hat sich ein Vogel dazugesellt. Und dem ist es egal, ob das, was um ihn herum flattert, von den Menschen „Müll“ genannt wird.
Man sieht auf die ausgefahrenen Jalousien der Geschäfte, auf Baumkronen und auf Litfasssäulen. (Ein seltener und also wertvoller Anblick: die Dinge, die sich im Lauf der Zeit im Deckel der Litfasssäule angesammelt haben: eine leere Zigarettenschachtel, ein paar Zigarettenstummel, ein Stück bunt bedrucktes Glanzpapier, in dem vor Tagen, Wochen oder Jahren, wer weiß das schon, ein Schokoriegel stak oder ein Eis am Stiel. Wie sind diese Dinge hier her gekommen? Hat sie jemand aus einem der oberen Stockwerke aus dem Fenster geworfen? Hat sie der Wind hier her geweht? Oder hat sich’s ein Vogel mitten im Nestbau anders überlegt und befunden, dass man doch besser nur mit Naturmaterialien baut?)
Wenige hundert Meter weiter, genau so weit über dem Boden wie ich, schwebt ein Teil von mir, hängt in der Luft, genau wie ich, und weiß nicht, warum. Ich habe ihn dort zurück gelassen, dort drüben, vierter Stock im Vorderhaus, und es scheint, als gebe es keine Verbindung mehr. Ich möchte eine Schnur spannen, ein Seil oder einen Draht. Von hier, vom Fenster aus über die Straße, mitten durch die Häuserreihe gegenüber, über drei, vier Hinterhöfe und ein paar weitere Straßen. (Dass die Leute in ihren Zimmern komisch gucken würden, wenn auf einmal ein Draht quer durch ihre Wohnung gespannt wäre, überm Esstisch und mitten durchs Kinderzimmer, wäre mir egal!) Er müsste nicht einmal besonders lang sein, der Draht, wie gesagt: wenige hundert Meter. Aber leitfähig müsste er sein. Leitfähig und trotzdem nicht unter Hochspannung. Anfassen müsste man ihn schon können, ohne sich in Lebensgefahr zu begeben. Aber so einen Draht finde ich nicht. Ich weiß auch nicht, wo ich noch suchen soll. Und die Schnurlosvariante hat hier sowieso keinen Sinn, denn es gibt kein Netz.
Also lasse ich das mit der Schnur und beobachte die Köpfe, die auf zu kleinen Körpern unter dem Südstern verschwinden, einer nach dem anderen. Die Zigarettenschachtel liegt noch genauso auf dem Boden ihres Litfasssäulendachgartens wie vorhin, nur das Eispapier ist an den Rand geweht worden. Immerhin hat sich ein Vogel dazugesellt. Und dem ist es egal, ob das, was um ihn herum flattert, von den Menschen „Müll“ genannt wird.
Sonntag, 2. November 2008
80 Kilo
Neukölln, unter meinem Balkon. Ein paar Jungs kloppen sich lautstark auf dem Bürgersteig. Irgendwann löst sich aus dem allgemeinen Gebrüll der Satz:
"Isch hol meinen Bruder!"
Es folgt: unverständliches Gemurmel der anderen.
Dann wieder dieselbe Stimme: "Achtzig Kilo!"
Es folgt: Absolute Stille.
Achtzig Kilo - ein echtes Totschlagargument.
"Isch hol meinen Bruder!"
Es folgt: unverständliches Gemurmel der anderen.
Dann wieder dieselbe Stimme: "Achtzig Kilo!"
Es folgt: Absolute Stille.
Achtzig Kilo - ein echtes Totschlagargument.
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