Donnerstag, 23. Juli 2009

Luxemburg

Luxemburg. Luxembourg. Lëtzebuerg. Ich habe noch kein Gefühl für die Dimensionen dieser Stadt, alles scheint seltsam verschränkt, komisch zusammengerückt: steile Sträßchen mit Fachwerk und Kopfstein, weite Plätze mit Kunst, bombastische Felsen, stylishe Glasfassaden, mindestens genauso stylishe Verkehrsschilder und Mülltüten, die man am liebsten anziehen würde, Gärten, mitten in der Stadt, die aussehen wie Klostergärten und das vielleicht auch sind, ein Handynetz, das "L TANGO" heißt, niedliche Häuschen an romantischem Flüsschen, Radio 100,7 (= der einzige Radiosender, den ich kenne, der das Funkeln aus Vorzeiten mit dem Leuchten aus naher Zukunft zum Strahlen von Jetzt macht - beispielsweise, indem er journalistisch Brillantes zwischen Bach und Elektronik bettet, aber auch sonst...), eine antiquiert futuristische EU-Landschaft mit zwei golden aus dem Panorama ragenden Twintowers, die der Europäische Gerichtshof sind, Bankgebäude, die "Banki" heißen und Sparkassen "Spuerkees".


Ich bitte Sie, meine Herren! Spuerkees! So nennt man doch kein Geldinstitut! Ein so überaus ernstes und hochgradig importantes Geschäft wie das mit den Finanzen kann man doch nicht leichtfertig bei Namen nennen, denen es, zumindest in deutschen Ohren, doch erheblich an gebührendem Respekt mangelt!


Und über allem bahnt sich hoch und schlank und stark der Aquädukt durch die Luft, von einem Felsenufer zum anderen, und adelt den Raum, ob er will oder nicht.

Luxemburg. Luxembourg. Lëtzebuerg. In Luxemburg wohnt die Sprache. Zu dieser Behauptung kann man sich, finde ich, getrost versteigen, denn neben drei (!) Amts(!)sprachen - Deutsch, Französisch und Lëtzebuergisch - wehen in Luxemburg auch noch jede Menge anderer Sprachen. Das liegt, wie manches hier, an der EU. Luxemburg ist Europas Übersetzer-Hotspot. Hier wird kreuz und quer übersetzt: von Englisch nach Tschechisch, Spanisch nach Polnisch, Portugiesisch nach Finnisch... Was nämlich die EU angeht, so hat man sich irgendwann für folgende Aufgabenverteilung entschieden:

Brüssel -> Parlament (meistens); Europarat
Straßburg -> Parlament (manchmal); Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte
Luxemburg -> Sprache; Europäischer Gerichtshof; Europäischer Rechnungshof.
Natürlich gibt es noch weit mehr EU-Institutionen, aber das würde den Rahmen dieser Betrachtung sprengen, der schon für Luxemburg allein viel zu klein ist, aber was will man machen.


Was noch? Ach so, ja, beinahe vergessen: Luxemburg ist - und jetzt ist das ganze Land gemeint - Großherzogtum! => Schon wieder Probleme mit den Dimensionen. Großherzogtum. Doppelte Irritation: 1. Was um Himmels Willen soll an diesem putzigen Ländchen "groß" sein? 2. Ich dachte, Großherzogtum gibt es allenfalls noch als Wort und selbst da nur im Lexikon, in Historienromanen oder Geschichtsbüchern. Dass es aber auch als Phänomen noch existiert, heute, im Jahr 2009, das... wundert mich, je länger ich hier bin, eigentlich auch nicht mehr. Und als C erzählt, dass Luxemburg führend in der Satelliten-Industrie sei und damit eine Nische gefunden habe, die verhindere, dass dem Land dasselbe blühe wie manch anderer früherer Stahlregion, finde ich, dass eigentlich doch alles irgendwie zusammenpasst.


Halten wir fest: In Luxemburg heißt Kleines groß und Großes klein, ist damals heute und heute übermorgen, über den Wolken verbinden die heimischen Satelliten Oben mit Unten, und über allem weht der Geist der Sprachentwirrung. Und außerdem flattern an allen Ecken und Enden im unaufhörlich durch die Haare pustenden Wind, natürlich, die Flaggen der EU.